27. März 2022
Hallöchen!
Gestern am Samstag hatte ich Spätdienst und ich wollte Verlaufsdoku schreiben für ca 40 Bewohner. Das sollen wir jeden Monat machen, um zu sehen, wie sich die Bewohner entwickeln. Nun ja, am besten legt man so einen Bürotag ein, wenn man Spätdienst hat und da das Wetter nicht ganz so berauschend war, wie die Tage zuvor, brauchte ich nun also auch kein schlechtes Gewissen zu haben, weil ich für Spaziergänge keine Zeit habe.Spätdienst fängt 12.15 Uhr an, also wo die Bewohner noch am Mittagstisch sitzen und anschließend halten die meisten von ihnen Mittagsruhe. Es ist jeden Tag schön, wenn man zur Arbeit kommt, aus dem Fahrstuhl steigt und die Bewohner freundlich begrüßt, die gerade vorne am Tisch sitzen oder mit dem Rollator vorbeirollen oder man winkt in Richtung Balkon, wo die Raucher sitzen. Dann ist es so ähnlich wie nachhause kommen und sich wohlfühlen, für einen kurzen Moment. Man freut sich, daß man sich wiedersieht, gesund und munter und es ist total ruhig und irgendwie immer das gleiche Bild, mit vielleicht minimalen Veränderungen, weil er der eine Bewohner heute rechts statt links sitzt, so wie tags davor,oder es fehlt jemand oder einer ist dazugekommen, aber sonst, immer das gleiche Bild, Geborgenheit, Zufriedenheit,Ruhe, Vertrautheit, Herzlichkeit,all das, was in unserer schnelllebigen Welt fast komplett abhanden gekommen ist, wonach sich aber alle sehnen und genau deshalb fühlt es sich toll an, aber es sind eben Momente, Glücksmomente!
Jedenfalls habe ich mich dann bei den Kollegen informiert, ob es was neues gibt, gabs nicht oder doch,aber das hatte ich schon unten an der Rezeption erfahren, eine Bewohnerin war nachts verstorben.
Weil noch alle beim essen waren, haben meine Betreuerkollegin aus dem Frühdienst und ich uns kurz mit einer weiteren Kollegin zusammengesetzt, die jetzt die Deko im Haus macht und unser hausinternes " Cafe Fontane" betreibt, um ihr zu berichten, wie die BK- Besprechung vom Vortag abgelaufen war, haben dabei einen leckeren Latte Macciato getrunken.
Dann hatte meine Kollegin Feierabend und ich dachte, okay, noch zu unruhig zum schreiben auf Station, also kann ich noch ein paar Bewohner bespaßen. Bei Frau H. ist mir das nicht gelungen! Ich wollte sie zu einem Spaziergang überreden, was sie energisch abgelehnt hatund was das absolut Faszinierende ist, seit ein paar Tagen spricht sie verständliche Sätze,reagiert auf Situationen, wohingegen sie vorher nicht zu verstehen war.Es ist wirklich Der Wahnsinn und ich habe sowas in der Form noch nicht erlebt, absolut positiv und ich frage mich, wie das möglich ist.Ist es deswegen so, weil sie sehr gesellig ist, den ganzen Tag fast ausschließlich vorn im Essbereich oder auf dem Flur unterwegs ist oder zu uns in die Küche schaut, wenn wir uns dort aufhalten und in der Quarantänezeit konnte sie das nicht, war isoliert wie die anderen Bewohner. Ist es die Freude darüber, sich wieder frei bewegen zu dürfen, hat das Gehirn direkt Impulse gesendet? Ich war auch schon mit ihr draussen, an einem anderen Tag und hatte sie überall im Haus mitgenommen, wenn ich was zu erledigen hatte.
Also habe ich überlegt, was ich mit Frau S. anstellen könnte, um sie aufzumuntern. Sie wimmert und weint sehr viel in letzter Zeit,seitdem ihr Partner verstorben ist, der auch bei uns auf der Station gelebt hatte und dann kam noch die Isolation obendrauf, was ihr wohl den Rest gegeben hat, denn sie ist von ihrem Naturell her ein freundlicher, herzensguter, lustiger, geselliger Mensch. Ich habe mir einen kleinen Igelball geholt und ihn mit ihr immer auf dem Tisch hin und herrollen lassen. Sie hat ihn nicht einmal fallen lassen und was das schönste ist. sie fing an zu lachen, weil sie einen "Riesenspaß" damit hatte!
Dann habe ich angefangen in aller Stille meine Verlaufsdoku zu schreiben, im Büro und ich bin mit allem fertig geworden, halleluja. Zwischendurch habe ich eine Schachtel Toffifee von einem jüngeren Bewohner geschenkt bekommen, Nervennahrung sagte er mir, ich musste mir gleich 4 Stück einverleiben!
Während ich da saß und schrieb, beobachtete ich das Treiben in der Sitzecke und ich muss sagen, es war mal wieder sehr amüsant, sonst wäre meine Schreibarbeit auch viel zu langweilig geworden. Nachdem ich noch Knabberzeug für meine Leutchen hingestellt hatte, brauchte ich nur zu warten bis Fr. W. aus ihrem Zimmer kommt und alle Salzstangen klaut, sie meinte ich sehe sie nicht, durch die Milchglasscheibe, aber Pustekuchen! Ich habe die Knabberschale wieder aufgefüllt und woanders postiert und sie kam ein zweites mal um wieder alle Salzstangen aufeinmal zu grabschen!Jetzt hatte ich sie, ich habe ihr gesagt, daß andere Bewohner auch was abhaben wollen und daß ich gesehen habe, als sie die erste Schale geplündert hat, aber sie hat gegenan geredet und ist dann verduftet in ihr Zimmer und ich nachhause, Feierabend!LG Andrea